Iris

Meine Großmutter, der gelbe Lesestuhl und das alte, vergilbte Märchenbuch meines Urgroßvaters „Aus Urväter Zeiten“ – mit jeder Erzählung tauchte ich tiefer in neue Welten ein und lernte geheimnisvolle Wesen kennen. In Baumhöhlen, unter Wurzeln und in Felswänden – immer wieder begegnete ich diesen Gestalten, als ich als Kind durch die Natur streifte. Im Laufe der Jahre verschwanden diese Gestalten, ich vergaß die Märchen, die mir als Kind erzählt wurden und mich zuvor treu begleitet hatten.

Nachdem ich die Ausbildung zur Sozialarbeiterin abgeschlossen hatte, führte mich mein Weg für einige Zeit in ein weit entferntes Land, nach Tansania. In Arusha, am Fuße des Kilimanjaro arbeitete ich in einem Projekt mit Straßenkindern. An einem heißen Vormittag saßen die Straßenkinder, ein afrikanischer Freund und ich im mintgrünen Klassenzimmer. Die Kinder begannen Märchen zu erzählen, schlüpften in die Rolle des Hasen, der Schildkröte und der Hyäne – voller Lebendigkeit, mitreißend und fantastisch. Die Motive und Inhalte der tansanischen Erzählungen waren für mich neu und dennoch schienen mir die Bilder irgendwie bekannt und vertraut. Das war der Moment, in dem die Märchen in mein Leben zurückkehrten.

Wieder zurück im Pinzgau nahm ich meine Arbeit als Sozialarbeiterin auf und verbrachte mit den Jugendlichen viel Zeit in den Wäldern. Auch in meiner Freizeit war ich vor allem in der Natur zu Hause. In dieser Zeit machte ich die Ausbildungen zur Überlebenstrainerin und zur Kräuterfachfrau. Zum „Überleben“ reichte mein Wissen nun, aber ich hatte das Gefühl, dass noch eine Sache fehlt. Diese Lücke füllte ich mit dem Lerngang „Märchen begreifen“ und meiner intensiven Beschäftigung mit Märchen. Für mich konnte ich nun das Märchenhafte in der Natur und die Natur in den Märchen zusammenführen und aus den Puzzle-Teilen ein rundes Ganzes formen. Die Sozialarbeit trat immer mehr in den Hintergrund und seit 2010 arbeite ich als freiberufliche Märchenerzählerin, Wildnispädagogin und Kräuterfachfrau.